EVU müssen die Preisgestaltung zunehmend als Anreizsystem nutzen, um die Netzbelastung und den Ausbaubedarf zu begrenzen. Bis 50MWh haben alle Kunden Anrecht auf die gleichen Tarife (vgl. StromVV Art. 18 Abs. 2). In dieser Kundengruppe finden sich sowohl Kunden ohne leistungsintensive Verbraucher und welche mit einem hohem Leistungsbezug, der reduziert und netzdienlich gesteuert werden kann. Die Herausforderung besteht darin, mit verständlichen Preisstrukturen einen Anreiz für einen Energiekonsum zu schaffen, der das Netz nicht übermässig belastet. Grössere Liegenschaften mit einem Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) haben mit den gängigen Tarifstrukturen keine kostendeckenden Preise. Mit der Einführung von Leistungstarifen im Basistarif können verursachergerechtere Preisstrukturen geschaffen werden.
Neue Möglichkeiten mit SmartMetern
Bis Ende 2027 müssen alle Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) mindestens 80% der Stromzähler mit sogenannten Smartmetern ersetzen. Damit ist bei den Haushaltskunden eine vergleichbare Messinfrastruktur verfügbar wie bei Grossverbrauchern. Dies ermöglicht unter anderem 1/4h Verbrauchswerte zu messen und nach der Inbetriebnahme der Kommunikationsinfrastruktur täglich automatisch auszulesen. Neue Tarifmodelle sind möglich – es können wie bei Grossverbrauchern Leistungspreise verrechnet werden.
Begrenzung oder Steuerung des Leistungsbezugs
Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen erhöht den Leistungsbezug von Haushalten und kann zu kritischen Situationen im Netz führen (siehe Blog Elektromobilität im Quartier). Ein Anreiz für die Begrenzung oder Steuerung des Leistungsbezugs ist damit nötig: Eine Leistungs-Preiskomponente im Basistarif schafft einen Anreiz für die Reduktion der Leistung oder für den Wechsel in einen Wahltarif mit netzdienlicher Steuerung (siehe Blog Tarifgestaltung). Im Wahltarif sind verschiedene Modelle zur Steuerung der Leistung möglich. Die folgenden Punkte können bei der Beurteilung der verschiedenen Kriterien zur Einführung eines Leistungspreises helfen.
Kostendeckend und verursachergerecht
Die Netzkosten müssen mit der neuen Tarifstruktur gedeckt sein. Bei einer Überschreitung der regulatorisch zulässigen Erlöse müssen die sogenannten Überdeckungen innerhalb von 3 Jahren in Form von tieferen Preisen den Kunden zurückerstattet werden. Eine sorgfältige Kalkulation der Erlöse mit den geplanten Absatzmengen und die Auswirkungen auf die verschiedenen Kundengruppen ist unabdingbar. Die Mengen der neuen Preiskomponenten aller Kunden sind nötig, um eine solche Kalkulation vorzunehmen.
Bei Haushalten mit einem geringen Verbrauch ist eine tiefe Gleichzeitigkeit der Leistung üblich – gleiche Leistungspreise wie bei Grosskunden sind nicht gerechtfertigt. Andererseits sollen die Fixkosten pro Kunde gedeckt sein. Unter Umständen kann dies ohne einen Grundtarif erreicht werden. Weiter vom Anschlusspunkt entfernt teilen sich mehr Haushalte die Infrastruktur und die Leistung glättet sich.
Kundenfreundliches Angebot
Ein wesentlicher Aspekt eines kundenfreundlichen Angebots sind verständliche und nachvollziehbare Preisstrukturen mit einem Minimum an Preiskomponenten.
Ein Grundpreis (fixer Preis pro Messpunkt) ist verursachergerecht, da der Netzanschluss mengenunabhängige Grundkosten verursacht, kann aber vom Kunden nicht beeinflusst werden. Eine Abschaffung des Grundtarifs ist bei der Einführung eines Leistungspreis in Erwägung zu ziehen. Die Anzahl der Preiskomponenten bleibt damit gleich.
Kunden mit hohem Leistungsbezug sollen die Möglichkeit haben, ihr Bezugsprofil zu verstehen und allfällige Massnahmen zu ergreifen, um die Kosten für die Leistung zu reduzieren. Ein wichtiges Element zur Unterstützung der Kunden können Leistungsauswertungen auf einem Online-Portal sein, zugänglich vor der Einführung der neuen Preisstruktur. Idealerweise kann mit Zusatzmodulen für Smartmeter über das private Wlan eine Echtzeit-Visualisierung der Leistung angeboten werden. Eine Lösung kann eine Warnung an den Kunden beim Überschreiten eines definierbaren Wertes sein (per Email, SMS …). Ein wichtiges Element ist die Option eines Wahltarifs, der mehr Hilfsmittel und Anreize zur Optimierung des Energiekonsums bietet.
Regulierungskonform
Bis 50MWh Energiebezug (Basiskundengruppe) muss den Kunden ein Netznutzungsentgelt angeboten werden, das zu mindestens 70% aus einer nichtdegressiven Arbeitskomponente (Rp. /kWh) besteht (vgl. StromVV Art. 18). Eine Abstufung der Arbeitskomponente nach Netzbelastung (Hoch- und Niedertarif) darf den 70% zugerechnet werden.
Dies ist der Durchschnittswert der gesamten Basiskundengruppe. Somit dürfen die Erlöse aus Grund- und Leistungspreis im Maximum 30% vom Gesamterlös des Basiskundentarifs betragen. Dieser Anteil darf und soll bei einzelnen Kunden mit hohem Leistungsbezug (im Verhältnis zum Energiebezug) überschritten werden. Damit besteht ein Anreiz für eine Optimierung des Leistungsbezugs oder der Wechsel in einen besser geeigneten Wahltarif. Ein Leistungs-Freibetrag und ein im Gegenzug höherer Leistungspreis kann diesen Effekt verstärken. Eine weitere Möglichkeit ist der Verzicht auf den Grundpreis, womit der Leistungspreis höher angesetzt und der Anreiz zur Leistungsoptimierung verstärkt werden kann, ohne dass die 70% Regel verletzt wird.
Die Möglichkeit für zusätzliche netzdienliche Anreize ist im Basistarif vorhanden, für Steuereingriffe des EVU muss jedoch der Kunde sein Einverständnis geben. Somit sind gesteuerte Verbraucher dem Wahltarif vorbehalten.
Weiter ist zu beachten dass man sich mit dynamischen Tarifen in einen rechtlichen Graubereich bewegt – die Höhe der Netzpreise muss wie bisher kommuniziert werden und die dynamische Festlegung der Preise muss nachvollziehbar und vorgängig bekannt sein (die Zeiten mit den günstigen Tarifen können zum Beispiel über ein Onlineportal kommuniziert werden).
Zum richtigen Zeitpunkt
Für die Einführung von Leistungstarifen muss genügend Vorlaufzeit eingeplant werden. Die vorliegenden Kundendaten müssen mit verschiedenen Tarifmodellen getestet werden und Kunden sollen die Möglichkeit haben, ihr Profil vorgängig zu optimieren.
Das Timing der Einführung von Leistungstarifen kann verschiedenen Grundsätzen folgen. Mit einer möglichst frühen Einführung der Leistungstarife können die Gewohnheiten präventiv beeinflusst werden. Oder es wird zugewartet bis die Belastung im Netz entsprechende Massnahmen erfordert.
Bei zukünftigen Revisionen des StromVV könnte der Grenzwert im Basistarif von 70% Arbeitskomponente gesenkt werden, dies ist jedoch keine Voraussetzung für die Einführung von Leistungspreisen. Bei einer schrittweisen Anpassung der Tarifstrukturen wird der Arbeitsteil (kWh) sinnvollerweise nicht geändert und der Grundtarif durch einen Leistungstarif ergänzt oder ersetzt.